Finanztransaktionsteuer: Hat sie noch Chancen?

Der Deutsche Steuerberaterverband (DStV) informiert auf seinen Seiten aktuell über den Stand der Finanztransaktionsteuer, die seit rund zehn Jahren von den EU-Finanzministern diskutiert wird.

So habe Olaf Scholz (SPD), nachdem er 2018 Bundesfinanzminister geworden war, seinen europäischen Ministerkollegen nach engen Abstimmungen mit seinem französischen Kollegen Le Maire im Dezember 2019 einen finalen Vorschlag für einen Richtlinientext zur Einführung der Finanztransaktionsteuer vorgelegt. Dieser orientiere sich an der bereits seit 2012 existierenden französischen Aktiensteuer.

Besteuert werde danach der Aktienerwerb gelisteter Unternehmen, die ihren Hauptsitz im jeweiligen Inland haben sowie im Inland und im Ausland ausgegebene Hinterlegungsscheine, die mit Aktien dieser Unternehmen unterlegt sind. Dabei würden nur Aktien von solchen Unternehmen einbezogen, deren Marktkapitalisierung über einer Milliarde Euro liegt. Der Steuersatz solle 0,2 Prozent betragen. Die Besteuerung betrifft laut DStV in erster Linie institutionelle Anleger. Denn der Anteil der Geschäfte von Privatanlegern am Handelsvolumen mit deutschen Aktien sei mit insgesamt drei Prozent sehr klein. In Deutschland fielen 150 Firmen unter diese Regelung.

Der nun zur Abstimmung vorgelegte Text reiche nicht mehr an den ursprünglichen Finanztransaktionsteuer-Vorschlag der EU-Kommission heran, hebt der DStV hervor. Die Ausklammerung des Derivatehandels, die oben aufgeführten Eckdaten und der auf den zehn Staaten begrenzte Wirkungskreis führe zu geschätzten Einnahmen von rund 3,6 Milliarden Euro. Diese Einnahmen sollen in den nationalen Haushalten verbucht werden.

Der finale Kompromissvorschlag liege im Mai 2020 bereits wieder über ein halbes Jahr auf Eis. Nun solle es die deutsche Ratspräsidentschaft richten. Die Koalition der Willigen scheine ebenfalls zu bröckeln, so der DStV. Österreich habe sich bereits nach Verkündigung des „finalen Kompromisses“ ausgeklinkt. Innerhalb der Koalition fordere Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) eine Rückkehr zur Ursprungsidee von 2011. Mit dem Austreten Österreichs aus der verstärkten Zusammenarbeit seien es nur noch neun EU-Staaten. Eine weitere Absage eines EU-Staates bedeute das Aus für die verstärkte Zusammenarbeit und das für das Projekt Finanztransaktions-/Aktiensteuer.

Am Ende könnte aus einer gut gemeinten europäischen Finanztransaktionsteuer eine koordinierte Aktiensteuer für ein Drittel der EU-Mitgliedstaaten werden, befürchtet der DStV. Sollte die gemeinsame Verabschiedung nicht gelingen, werde die Einführung einer nationalen Börsenumsatzsteuer unausweichlich.

Deutscher Steuerberaterverband e.V., PM vom 04.06.2020