Editorial – Hat ein Wirtschaftsjahr immer 12 Monate?

Sehr geehrte Mandanten,

ein Wirtschaftsgut, für das ein Investitionsabzugsbetrag angesetzt wurde, muss mindestens bis zum Ende des dem Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung folgenden Wirtschaftsjahres in einer inländischen Betriebsstätte des Betriebes ausschließlich oder fast ausschließlich betrieblich genutzt werden. Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, muss der Investitionsabzugsbetrag steuererhöhend rückgängig gemacht werden.

Soweit ist die Regelung klar, jedoch scheinen Teile der Finanzverwaltung nicht zu wissen, was ein Wirtschaftsjahr ist. Vor dem BFH (Az: X R 30/92) wird nämlich aktuell die Frage aufgeworfen, ob ein Wirtschaftsjahr im Zusammenhang mit dem Investitionsabzugsbetrag einen Zeitraum von zwölf Monaten umfassen muss oder ob auch ein Rumpfwirtschaftsjahr ausreichend sein kann. Insbesondere geht es also um die Frage, ob unter der Formulierung „folgenden Wirtschaftsjahr“ ein zwölf Monate umfassendes Wirtschaftsjahr gemeint ist.

Naja, da das Wirtschaftsjahr in der Regelung zum Investitionsabzugsbetrag nicht näher definiert ist, kann man wohl sicherlich davon ausgehen, dass die allgemeine gesetzliche Definition greift. Es hilft also ein Blick ins Gesetz: Laut § 8b EStDV ist geregelt, dass ein Wirtschaftsjahr einen Zeitraum von zwölf Monaten umfasst. Insoweit scheint die Streitfrage der Finanzverwaltung berechtigt. Wer weiterlesen kann, ist jedoch im Vorteil, denn danach steht: Es darf einen Zeitraum von weniger als zwölf Monaten umfassen, wenn ein Betrieb eröffnet, erworben, aufgegeben oder veräußert wird. Exakt dies ist das Rumpfwirtschaftsjahr.

Ein Rumpfwirtschaftsjahr ist also auch ein Wirtschaftsjahr, unabhängig davon, ob es zwölf Monate umfasst.