Ablehnung einer Stundung: Unzureichende Sachverhaltsaufklärung als Ermessensfehler

Die Ablehnung einer Stundung ist ermessensfehlerhaft, wenn die Behörde den ihrer Ermessensentscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt nicht einwandfrei und erschöpfend ermittelt hat. Das ist insbesondere der Fall, wenn entscheidungserhebliche Akten nicht beigezogen und ausgewertet wurden, wie das Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg klarstellt.

Die Klägerin musste aufgrund eines bestandskräftigen Bescheids Kindergeld in Höhe von 3.680 Euro zurückzahlen. Unter Darlegung ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beantragte sie beim Inkasso-Service der beklagten Agentur für Arbeit die Stundung der Forderung. Die Beklagte bat daraufhin die Familienkasse um konkrete Angaben zur Entstehung der Rückforderung. Diese übersandte den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid sowie die Einspruchsentscheidung und teilte mit, die Rückforderung sei durch die fehlende Mitwirkung der Klägerin entstanden, die trotz Aufforderung keine Nachweise vorgelegt habe. Auf dieser Tatsachengrundlage lehnte die Beklagte den Stundungsantrag ab. Es liege keine Stundungswürdigkeit vor, da die Rückforderung aufgrund der Verletzung der Mitwirkungspflicht der Klägerin entstanden sei. Auf die Stundungsbedürftigkeit der Klägerin müsse daher nicht weiter eingegangen werden.

Das FG hob die Ablehnungsentscheidung auf und verpflichtete die Beklagte, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Die angefochtene Ablehnung der Stundung sei ermessensfehlerhaft und somit rechtswidrig.

Eine fehlerfreie Ermessensausübung setze voraus, dass die Behörde den entscheidungserheblichen Sachverhalt einwandfrei und erschöpfend ermittelt habe. Zu einer diesbezüglich erforderlichen vollständigen Ermittlung des Sachverhalts gehöre zumindest die Auswertung des gesamten Akteninhalts, einschließlich beigezogener oder beizuziehender Akten. Ein von der Behörde nicht einwandfrei und erschöpfend ermittelter Sachverhalt könne zur Rechtswidrigkeit der Ermessensentscheidung führen.

Hiernach habe die Beklagte den ihrer Ermessensentscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt nicht einwandfrei und erschöpfend ermittelt. Sie habe die Akten der für die Kindergeldfestsetzung zuständigen Familienkasse erst im Klageverfahren angefordert. Im Zeitpunkt der Entscheidung über den Stundungsantrag und auch später bei Erlass der Einspruchsentscheidung sei ihr der Sachverhalt daher nur partiell bekannt gewesen.