Auch beim massenhaften Handel von Kleidungsstücken und von Modeschmuck im Niedrigpreissegment kann ein Vorsteuerabzug nur vorgenommen werden, wenn die Rechnung eine eindeutige und leicht nachprüfbare Feststellung der Leistung ermöglicht, über die abgerechnet wird. Das hat das Hessische FG in zwei Verfahren klargestellt.
Im Klageverfahren 1 K 547/14 war die Klägerin im Streitjahr im Textilhandel unternehmerisch tätig. Sie vertrieb Damenoberbekleidung (insbesondere T-Shirts und Blusen) im Niedrigpreissegment. Die Kleidungsstücke wurden jeweils in großen Mengen in verschiedenen Standardgrößen und in mehreren Farben von Großhändlern eingekauft. Die Einkaufspreise je Artikel bewegten sich jeweils im unteren einstelligen Eurobereich. Das Finanzamt versagte bei einigen Rechnungen zulasten der Klägerin den Vorsteuerabzug, weil sich die Bezeichnungen der gelieferten Gegenstände in den Rechnungen auf die pauschale Bezeichnung einer Warenklasse und die Angabe einer erheblichen Stückzahl im mindestens dreistelligen Bereich beschränke. Eine Konkretisierung der Leistungsbeschreibungen fehle.
Auch im Klageverfahren 1 K 2402/14, in dem die Klägerin im Bereich des Handels mit Modeschmuck und Accessoires im Niedrigpreissegment tätig war, lehnte das Finanzamt den Vorsteuerabzug ab, weil Rechnungen auch hier nur unzureichende Angaben wie „div. Modeschmuck“ (Armband, Ohrring, Kette et cetera), den Netto-Einzelpreis sowie die Anzahl der gelieferten Artikel enthielten.
Der klägerische Einwand, dass die jeweiligen Leistungsbeschreibungen in den Rechnungen angesichts der Rechtsprechung des Bundesfinanz hofes und mit Blick auf die Besonderheiten im Massengeschäft mit Billigartikeln die Anforderungen an eine handelsübliche Bezeichnung der Art der gelieferten Gegenstände erfüllten und dass die Handelsüblichkeit letztendlich von der Umsatzstruktur beziehungsweise vom Marktumfeld abhänge, verfing im Klageverfahren nicht. Auch der Hinweis, dass die Übertragung der Anforderungen bei Leistungsbeschreibungen für sonstige Leistungen auf die – hier vorliegenden – Abrechnungen von Lieferungen bei verschiedenen Warengruppen zur Unmöglichkeit des Vorsteuerabzugs führe und gegen die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs verstoße, half der Klägerin nicht weiter.
Das Hessische FG entschied vielmehr, dass die streitigen Rechnungen mangels hinreichender Leistungsbeschreibung und fehlender Identifikationsmöglichkeit den gesetzlichen Anforderungen zum Vorsteuerabzug aus Rechnungen nicht genügten. Innerhalb einer Branche sei hinsichtlich der Frage, welche Bezeichnung einer Leistung noch handelsüblich sei, nicht nach verschiedenen Verkehrskreisen – nämlich dem Handel mit Textilien im mittleren und oberen Preissegment einerseits und dem Handel mit Waren im Niedrigpreissegment andererseits – zu differenzieren.
Die in den Rechnungen des Verfahrens 1 K 547/14 enthaltene bloße Angabe einer Gattung (zum Beispiel Shirts, T-Shirts, Blusen, Kleider, Blusen, Jacken) stelle keine handelsübliche Bezeichnung dar. Die – hier fehlende – erforderliche weitergehende Umschreibung der Ware könne beispielsweise über die Herstellerangaben beziehungsweise die Angabe einer etwaigen Eigenmarke oder über Modelltyp, Farbe und Größe sowie unter Bezugnahme auf eine Artikel- oder Chargennummer erfolgen. Auch die Benennung von Größe, Farbe, Material sowie gegebenenfalls die Bezeichnung als Sommer- oder Winterware komme in Betracht.
Das Fehlen jeglicher weiterer Umschreibung der Artikel lasse vorliegend keine eindeutige und mit begrenztem Aufwand nachprüfbare Feststellung der Lieferungen, über die mit den Rechnungen abgerechnet worden sei, zu. Dabei bestehe angesichts der hohen Anzahl der in den Rechnungen aufgeführten Artikel auch die Gefahr einer willentlichen oder unwillkürlichen mehrfachen Abrechnung der Leistung in einer anderen Rechnung. All dies gelte auch für den Handel mit Modeschmuck, Uhren und Accessoires. Auch insoweit stelle die bloße Angabe einer Gattung (zum Beispiel Armbänder, Ketten, Halsketten) keine handelsübliche Bezeichnung dar.
Finanzgericht Hessen, 1 K 547/14 und 1 K 2402/14 (Rev.: XI R 2/18)