Kosten eines Zivilprozesses, der gegen den Bauträger eines selbst genutzten Wohnhauses wegen Baumängeln (hier: Eindringen von Wasser in den Keller) geführt wird, sind keine außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 33 Absatz 1 Einkommensteuergesetz (EStG). Dies zeigt ein aktuelles Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH).
Das klagende Ehepaar machte in seiner Einkommensteuererklärung rund 10.300 Euro „Rechtsanwaltskosten wegen Bauschaden“ als außergewöhnliche Belastungen geltend. Das beklagte Finanzamt erkannte die Kosten nicht an. Dagegen klagte das Ehepaar ohne Erfolg. Der BFH betont, Zivilprozesskosten seien nur insoweit abziehbar, als der Prozess existenziell wichtige Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens berührt. Liefe der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, könne er auch bei unsicheren Erfolgsaussichten zur Durchsetzung oder Abwehr eines zivilrechtlichen Anspruchs aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen gezwungen sein, einen Zivilprozess zu führen, sodass die Prozesskosten zwangsläufig im Sinne von § 33 EStG erwüchsen.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze seien die von den Klägern getragenen Rechtsanwalts- und Gerichtskosten nicht als außergewöhnliche Belastungen steuermindernd zu berücksichtigen. Der von ihnen verfolgte (vermeintliche) Anspruch auf Rückabwicklung des Kauf- und Werkvertrags habe nicht ihren existenziellen Bereich berührt, auch wenn er das zu eigenen Wohnzwecken genutzte Haus der Kläger betroffen habe. Der Ausgang des Prozesses sei für die Kläger zwar von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung gewesen, nicht aber von existenzieller. Die Gefahr, die Existenzgrundlage zu verlieren oder die lebensnotwendigen Bedürfnisse nicht mehr befriedigen zu können, hätte für die Kläger auch dann nicht bestanden, wenn sie sich nicht dazu entschlossen hätten, ihren (vermeintlichen) Anspruch auf Rückabwicklung des Kauf- und Werkvertrags gerichtlich zu verfolgen.
Der Erwerb eines Einfamilienhauses berühre nämlich typischerweise das Existenzminimum nicht und erscheine deshalb steuerlich als Vorgang der normalen Lebensführung. Für die von den Klägern getätigten Aufwendungen zur Rückabwicklung eines solchen Erwerbs gelte nichts anderes. Auch wenn das elementare private Wohnbedürfnis nicht durch das Wohnen in einem eigenen Haus befriedigt werden muss, seien Aufwendungen zur Wiederherstellung der Bewohnbarkeit eines selbstgenutzten Einfamilienhauses nach Eintritt eines ungewöhnlichen Schadensereignisses nach der Rechtsprechung des BFH allerdings nicht grundsätzlich von der Anwendung des § 33 EStG ausgeschlossen (Urteile vom 06.05.1994, III R 27/92 und vom 09.08.2001 (III R 6/01). In diesem Zusammenhang könnten auch Zivilprozesskosten einen existenziellen Bereich betreffen.
Im Streitfall sei die wesentliche Ursache, die zur Geltendmachung des (vermeintlichen) Anspruchs auf Rückabwicklung des Kauf- und Werkvertrags führte, das Eindringen von Wasser in den nicht ausgebauten Keller der Doppelhaushälfte aufgrund von Baumängeln gewesen. Das Eindringen des Wassers in den Keller der Doppelhaushälfte habe zum einen aber nicht zur Unbewohnbarkeit des Hauses geführt. Zum anderen seien Baumängel nach ständiger Rechtsprechung des BFH keineswegs unüblich und nicht mit ungewöhnlichen Schadensereignissen vergleichbar (Beschluss vom 11.02.2009, VI B 140/08). Selbst Aufwendungen zur Behebung gesundheitsgefährdender Baumängel erlaubten deshalb grundsätzlich keine Ermäßigung der Einkommensteuer nach § 33 Absatz 1 EStG (Beschluss vom 19.06.2006, III B 37/05). Soweit die von der Klägerin aufgewendeten Anwalts- und Gerichtskosten daher dazu gedient oder beigetragen haben, die Baumängel an der Doppelhaushälfte der Klägerin zu beseitigen, scheide ihre Berücksichtigung nach § 33 Absatz 1 EStG unter diesem Gesichtspunkt folglich ebenfalls aus.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 20.01.2016, VI R 19/14