Der Bundesfinanzhof (BF) hatte mit Urteil vom 4. Juli 2012, Az. II R 15/11 entschieden, dass die vom Erblasser herrührende Einkommensteuer des Todesjahres als Nachlassverbindlichkeit abzugsfähig ist. Die Entscheidung steht im Widerspruch zu den Erbschaftsteuer-Richtlinien. Im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden des Bundes und der anderen Länder wird an R E 10.8 Abs. 3 ErbStR 2011 nicht mehr festgehalten und der bisherige Erlass aus dem Januar 2010, Az. 3 – 3810/28 ist insoweit überholt. Das ist auf alle noch offenen Fälle anzuwenden, die Erbschaftsteuerfinanzämter werden entsprechend unterrichtet.
Zum Hintergrund: Der BFH hatte damals entschieden, dass die vom Erben in seiner Eigenschaft als Gesamtrechtsnachfolger zu leistende und noch vom Erblasser herrührende Einkommensteuer-Abschlusszahlung für das Todesjahr als Nachlassverbindlichkeit abzugsfähig ist. Insoweit hat der Urteilstenor große praktische Bedeutung. Denn durch den Abzug der Einkommensteuerschulden als Nachlassverbindlichkeiten hat die Einkommensteuer für das Todesjahr unmittelbare Auswirkung auf die Höhe der festzusetzenden Erbschaftsteuer. Im zugrunde liegenden Urteilsfall waren zwei Schwestern Erbe ihrer Eltern geworden. Die waren beide kurz nacheinander im gleichen Kalenderjahr verstorben. Für den Einkommensteuer-Veranlagungszeitraum waren von den Erbinnen als Gesamtrechtsnachfolger ihrer Eltern – nach Anrechnung der von den verstorbenen Eltern entrichteten Vorauszahlungen – erhebliche Nachzahlungen zu entrichten.
Nach Ansicht des BFH gehören zu den abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten nicht nur die Steuerschulden, die zum Zeitpunkt des Erbfalls – also der Todeszeitpunkt – in der Person des Erblassers bereits rechtlich entstanden waren, sondern auch solche Steuerverbindlichkeiten, die der Erblasser als Steuerpflichtiger durch die Verwirklichung von Steuertatbeständen noch begründet hat und die erst mit dem Ablauf des Todesjahres später entstehen. Dies gilt in Übereinstimmung mit der zivilrechtliche Rechtsprechung, wonach sich aus dem Begriff herrühren ergibt, dass die Verbindlichkeiten zum Zeitpunkt des Erbfalls noch nicht voll wirksam entstanden sein müssen. So auch die Rechtsprechung vom Bundesgerichtshof.
Entscheidend für den Abzug der Steuerschulden als Nachlassverbindlichkeiten ist, dass der Erblasser in eigener Person – und nicht etwa der Erbe – steuerrelevante Tatbestände verwirklicht hat. Eine Einkommensteuerschuld fürs Todesjahr bleibt trotz Übergang auf den Erben eine vom Erblasser herrührende Steuerschuld. Insoweit ist unerheblich, dass der Bescheid für den Erblasser gegenüber dem Erben ergeht.