Frankreich und Luxemburg wenden für digitale Bücher ermäßigte Mehrwertsteuersätze an, die unter Umständen nicht mit dem EU-Recht vereinbar sind. Dies meint die Europäische Kommission und hat deswegen Vertragsverletzungsverfahren gegen die beiden Länder eingeleitet.
Rechtlicher Hintergrund: Nach den europäischen Rechtsvorschriften können die EU-Mitgliedstaaten ermäßigte Mehrwertsteuersätze für eine begrenzte Anzahl von Gegenständen und Dienstleistungen anwenden, die in Anhang III der Mehrwertsteuerrichtlinie aufgelistet sind. Das Herunterladen digitaler Bücher gilt als eine auf elektronischem Wege erbrachte Dienstleistung, die in dieser Liste nicht aufgeführt ist und daher auch nicht zum ermäßigten Satz besteuert werden kann.
In ihrer Mitteilung zur Zukunft der Mehrwertsteuer vom Dezember 2011 hat die Kommission eigenen Angaben zufolge die Möglichkeit erwogen, die Mehrwertsteuersätze für traditionelle und für digitale Bücher aneinander anzupassen. Die Kommission wird dazu bis Ende 2013 Vorschläge vorlegen. Eine Anpassung in Richtung der derzeit für traditionelle Bücher geltenden ermäßigten Steuersätze sei jedoch ohne eine Änderung der Mehrwertsteuerrichtlinie nicht möglich.
Frankreich und Luxemburg hätten dennoch entschieden, ab Januar 2012 für E-Books ermäßigte Mehrwertsteuersätze anzuwenden. Nach Ansicht der Kommission verstoßen sie damit gegen EU-Recht. Die ermäßigten Mehrwertsteuersätze betragen sieben Prozent in Frankreich und drei Prozent in Luxemburg und schafften spürbare Wettbewerbsverzerrungen zulasten der Wirtschaftsbeteiligten in den anderen 25 Mitgliedstaaten der EU, so die Kommission. Denn E-Books könnten ganz einfach in einem anderen Mitgliedstaat als dem Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers erworben werden, und nach den derzeit geltenden Rechtsvorschriften würden die Mehrwertsteuersätze des Mitgliedstaats des Dienstleistungserbringers – und nicht die des Kunden – angewandt.
Lokale Akteure des E-Bookmarkts hätten sich darüber beschwert, dass einige dominante Akteure dieses Markts ihre Vertriebswege so angepasst hätten, dass sie von den ermäßigten Mehrwertsteuersätzen profitieren. Dies habe im ersten Quartal 2012 erhebliche Auswirkungen auf die Verkäufe digitaler und anderer Bücher in den übrigen Mitgliedstaaten gehabt.
Jetzt haben Frankreich und Luxemburg einen Monat Zeit, zu den Vorwürfen der Kommission Stellung zu nehmen. Falls die vorgebrachten Argumente als nicht ausreichend erachtet werden, kann die Kommission den Verstoß formal feststellen und beide Länder in einer mit Gründen versehenen Stellungnahme, der zweiten Stufe des Vertragsverletzungsverfahrens, auffordern, ihre Rechtsvorschriften zu ändern.
Europäische Kommission, PM vom 03.07.2012