Kündigt ein Vermieter ein Mietverhältnis mit seinen Eltern nicht sofort, nachdem diese in ein Pflegeheim gezogen sind und keine Miete mehr zahlen, so muss dies seiner Vermietungsabsicht nicht entgegenstehen. Das gilt insbesondere dann, wenn das Mietverhältnis sehr lange bestand und zuvor einem Fremdvergleich standhielt, wie der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden hat.
Der Kläger erwarb von seinen Eltern 1992 das von ihnen selbst genutzte Einfamilienhaus. Dieses vermietete er seither an seine Eltern. Die Mietdauer betrug insgesamt etwa 17 Jahre. Im November 2008 zogen die Eltern des Klägers in ein Pflegeheim. Gleichzeitig wurde ihre Betreuung angeordnete. Der monatliche Mietzins betrug zunächst 700 Euro und ab Juli 2003 600 Euro. Seit der Unterbringung in das Pflegeheim zahlten die Eltern keine Miete mehr. Nach Angaben des Klägers wurde das Mietverhältnis in der Vergangenheit mehrfach überprüft und bis zum Streitjahr (2009) als unter Fremden üblich anerkannt. Der Kläger kündigte das Mietverhältnis mit Telefax vom 01.06.2009 fristlos und forderte die Betreuerin auf, das Haus bis zum 30.06.2009 zu räumen. Das Haus wurde schließlich bis Ende Juli 2009 geräumt.
Den vom Kläger für das Streitjahr geltend gemachten Werbungskostenüberschuss aus der Vermietung des Hauses in Höhe von 16.830 Euro ließ das beklagte Finanzamt im Einkommensteuerbescheid für 2009 unberücksichtigt. Der Kläger habe nicht nachgewiesen, dass die erforderliche Vermietungsabsicht fortbestanden habe. Da er bereits im Februar 2009 das Haus zum Verkauf angeboten habe, könnten die geltend gemachten Werbungskosten nicht mehr den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zugerechnet werden. Die hiergegen gerichtete Klage hatte erst vor dem BFH Erfolg.
Das FG hatte seine Entscheidung, das Mietverhältnis halte im Streitjahr einem Fremdvergleich nicht mehr stand, im Wesentlichen darauf gestützt, dass seit der Unterbringung der Eltern in das Pflegeheim keine Mietzahlungen mehr geleistet worden sind und damit das Mietverhältnis tatsächlich nicht mehr wie vereinbart durchgeführt worden ist. Der Kläger habe das Ausbleiben der Mietzahlungen über ein halbes Jahr unbeanstandet gelassen und sich daher nicht wie ein fremder Vermieter verhalten. Gegenüber einem fremden Dritten hätte der Kläger seinen Mietanspruch gerichtlich geltend gemacht, im Zweifel das Mietverhältnis nach § 543 BGB bereits mit Ablauf des Januars 2009 – und nicht wie geschehen erst im Juni 2009 – fristlos gekündigt und notfalls im Klagewege auf einer Räumung zu einem früheren Zeitpunkt bestanden.
Der BFH ist dieser Würdigung entgegengetreten. Es sei falsch, dass sich der Kläger im Streitfall in der Durchführung und Abwicklung des Mietverhältnisses nicht wie ein fremder Vermieter verhalten habe. Zwar sei das FG im Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass ein Vermieter regelmäßig ein notleidendes Mietverhältnis durch Kündigung beenden und eine Räumung des Mietobjekts durchsetzen wird. Das FG habe aber unberücksichtigt gelassen, dass es sich aufgrund der eingetretenen Pflegebedürftigkeit der Mieter um eine für beide Vertragsparteien besondere Situation gehandelt hat. In dieser Situation sei dem Vermieter – insbesondere eines langjährigen beanstandungsfreien Mietverhältnisses – hinsichtlich der Abwicklung ein gewisser Entscheidungsspielraum zuzubilligen, ob er das Mietverhältnis einvernehmlich und kooperativ oder durch Kündigung und etwaige Räumungsklage einseitig beendet. In diesem Zusammenhang hätte das FG in seine Würdigung einbeziehen müssen, dass der Kläger das Mietverhältnis im Ergebnis innerhalb von etwa einem halben Jahr und damit zeitnah zur Unterbringung der Mieter im Pflegeheim beendet und abgewickelt hat. Vor dem Hintergrund, dass sich aufgrund der Pflegebedürftigkeit der Mieter deren Auszug aus dem Haus ohnehin abzeichnete, hätte auch berücksichtigt werden müssen, dass ein gerichtliches Verfahren im Zweifel mehr Zeit in Anspruch genommen hätte.
Auch die Annahme des FG, der Kläger habe seine Vermietungsabsicht bereits im Zeitpunkt der Unterbringung der Eltern in das Pflegeheim endgültig aufgegeben, weil er den Leerstand des Hauses hingenommen und das Haus bereits im Februar 2009 zum Verkauf angeboten habe, ist laut BFH nicht frei von Rechtsfehlern. Das FG habe sich hierfür im Wesentlichen auf die Rechtsprechung des BFH zum Fortbestehen der Vermietungsabsicht bei länger andauerndem Leerstand bei einer vorangehenden auf Dauer angelegten Vermietung gestützt. Diese lasse sich jedoch mangels Vergleichbarkeit der den Entscheidungen zugrunde liegenden Sachverhalte nicht auf den Streitfall übertragen. Das FG habe insoweit außer Acht gelassen, dass das Mietverhältnis rechtlich erst zum Ablauf des Juni 2009 beendet worden ist und das Haus vor diesem Zeitpunkt noch nicht im Sinne der Senatsrechtsprechung vertragslos leer stand. Aus dem Umstand, dass der Kläger das Haus bereits im Februar 2009 zum Verkauf angeboten hat, folge noch nicht, dass er bereits zu diesem Zeitpunkt seinen Entschluss, das Haus zu vermieten, endgültig aufgegeben hat. Zugunsten des Klägers sei vielmehr davon auszugehen, dass die durch die Aufnahme der Vermietungstätigkeit gefasste Einkünfteerzielungsabsicht jedenfalls für die Dauer der Vermietungstätigkeit fortbesteht, auch wenn er die vermietete Immobilie aufgrund eines neu gefassten Entschlusses später veräußert.
Entscheidend für die Abziehbarkeit der Aufwendungen ist laut BFH insoweit, dass diese während der Vermietungszeit entstanden sind, also bezogen auf den Streitfall, solange ein Anspruch der Eltern auf Nutzungsüberlassung des Hauses gegenüber dem Kläger bestand. Anhaltspunkte dafür, dass das während der Dauer des Mietvertrags fortbestehende Nutzungsrecht ausnahmsweise durch eine konkludente oder ausdrückliche Vereinbarung bereits vor Beendigung des Mietverhältnisses im Sinne des § 542 BGB erloschen sein könnte, hat das FG nicht festgestellt. Auch insoweit könne dem Kläger nicht entgegen gehalten werden, er habe die rechtliche Möglichkeit zur Beendigung des notleidend gewordenen Mietverhältnisses zu einem früheren Zeitpunkt ungenutzt verstreichen lassen.
Da die Schlussfolgerungen des FG in seinen tatsächlichen Feststellungen keine Stütze finden, hat der BFH das Urteil aufgehoben und entschieden, dass jedenfalls die bis zur Beendigung des Mietverhältnisses und Räumung des Hauses Ende Juli 2009 durch die Vermietungstätigkeit angefallenen Aufwendungen dem Grunde nach als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung steuerlich zu berücksichtigen sind.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 11.07.2017, IX R 42/15