Die Neuregelung zur steuerlichen Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen in § 10 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der ab 01.01.2010 geltenden Fassung ist verfassungsgemäß. Dies hat das Finanzgericht (FG) Hamburg entschieden. Mit der Neuregelung hatte der Gesetzgeber auf einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) reagiert, nachdem das bis dahin geltende Recht verfassungswidrig war. Das FG hat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.
Der nichtselbstständig tätige Kläger war – mit Komfortversorgung – privat kranken- und pflegeversichert und erhielt die Hälfte der hierfür aufzubringenden Gesamtprämie als steuerfreien Arbeitgeberzuschuss. Das Finanzamt behandelte – der genannten Vorschrift entsprechend – den gesamten Arbeitgeberzuschuss so, als ob er auf die Aufwendungen zur Basisversorgung entfallen sei. Der Kläger wandte sich an das FG und macht geltend, dass der Zuschuss des Arbeitgebers zwischen der Basisversorgung und der Komfortversorgung aufzuteilen sei. Der von ihm selbst gezahlte Beitragsanteil für die Basisversorgung sei deswegen höher als vom Finanzamt berücksichtigt. Weil die Basisabsicherung nach der Rechtsprechung des BVerfG existenznotwendig sei und deswegen steuerfrei bleiben müsse, stehe ihm ein um 275 Euro höherer Sonderausgabenabzug zu. Die typisierende Zuordnung des gesamten Arbeitgeberzuschusses zur Basisversorgung durch das Gesetz sei verfassungswidrig, zumal sie auch gegen den Gleichheitssatz verstoße.
Das FG hat die Klage abgewiesen. In der Streitfrage, die für den einzelnen Steuerpflichtigen jeweils nur eine überschaubare, für den Fiskus wegen der Vielzahl der Betroffenen indes beträchtliche Auswirkung hat, entschied es, dass die Verminderung des Sonderausgabenabzugs für die private Krankenversicherung der Basisversorgung um die Arbeitgeberzuschüsse auch insoweit verfassungsgemäß ist, als diese auf die Komfortversorgung entfallen.
Die gesetzliche Neuregelung verstoße nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Bei Betrachtung von vier Vergleichsgruppen – Selbstständige und Gewerbetreibende, gesetzlich pflichtversicherte Nichtselbstständige, freiwillig gesetzlich versicherte Nichtselbstständige und schließlich privat versicherte Nichtselbständige wie der Kläger – zeige sich, dass der Nachteil, den der Kläger sich aus der fraglichen Bestimmung errechne, kompensiert sei, wenn auch die Vorteile berücksichtigt würden, die privat versicherte Arbeitnehmer aus sonstigen Vorschriften hätten – etwa dass der Arbeitgeber gegebenenfalls auch Beiträge für die Komfortversorgung zu zahlen habe und diese Zahlungen steuerfrei seien.
Wegen der zulässigen und sogar gebotenen Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Vorschriften werde auch gegen das sich aus dem Grundgesetz abzuleitenden Prinzip der Steuerfreiheit des Existenzminimums („subjektives Nettoprinzip“) nicht verstoßen. Im Übrigen läge selbst bei isolierter Betrachtung des geltend gemachten Nachteils wegen seiner Geringfügigkeit keine Verfassungswidrigkeit vor.
Finanzgericht Hamburg, 3 K 144/11