Darf die falsche Rechnung rückwirkend korrigiert werden?

Beanstandet das Finanzamt eine formal fehlerhafte Rechnung, kann der Leistungsempfänger erst in dem Monat Vorsteuer abziehen, in dem der andere Unternehmer diese Rechnung korrigiert. Da ein Fehler oft erst nach Jahren durch die Betriebsprüfung auffällt, kommt es in der Praxis meist zu Nachzahlungen mit Steuerzinsen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte jüngst zu einem Fall aus Ungarn entschieden, dass der Vorsteuerabzug rückwirkend erfolgen darf, wenn der Unternehmer dem Finanzamt eine berichtigte Rechnung vorlegt, nachdem die vorherige als fehlerhaft beanstandet worden war (Az. Rs. C–368/09). Das hat dann die positive Folge, dass keine Verzinsung eines zu Unrecht in Anspruch genommenen Vorsteuerabzugs mehr erfolgt, wenn die Rechnung korrigiert wird.

Im zugrunde liegenden Fall war eine Rechnung hinsichtlich einer ausgeführten Leistung falsch ausgestellt. Dieser Fehler wurde ein Jahr später durch Gutschrift und eine neue Rechnung korrigiert. Dies hatte die ungarische Finanzverwaltung nicht akzeptiert. Der EuGH stellte jedoch klar, dass der ursprüngliche Vorsteuerabzug aus der falschen Ursprungsrechnung nicht verwehrt werden darf, wenn dem Finanzamt eine den Vorschriften entsprechende berichtigte Rechnung vorgelegt worden ist. Daher ist eine Rechnungskorrektur mit rückwirkender Wirkung möglich und die Verzinsung des Rückforderungsanspruchs entfällt. Werden Rechnungsmängel bei einer Betriebsprüfung festgestellt, können diese also noch im Rahmen der Prüfung durch Erteilung be-richtigter Rechnungen geheilt werden.

Der deutsche Fiskus interpretiert dieses Urteil jedoch anders und entnimmt ihm keine Aussagen, die zu einer Änderung der bisherigen strickten Verwaltungsauffassung führen. Hiernach ist der Vorsteuerabzug erst in dem Zeitraum zulässig, in dem erstmalig alle Voraussetzungen erfüllt sind. Im Falle der Rechnungsberichtigung oder -ergänzung kann der Vorsteuerabzug daher erst dann vorgenommen werden, wenn die zu berichtigenden Angaben an den Rechnungsempfänger übermittelt worden sind. Eine Rückwirkung auf den Zeitpunkt, zu dem erstmalig ein Vorsteuerabzug hätte vorgenommen werden können, tritt bei einer Berichtigung oder Ergänzung der fehlerhaften oder unvollständigen Rechnung nicht ein. Aus diesem Grunde wird Unternehmern, die sich auf die EuGH-Rechtsprechung berufen und beantragen, dass die Rechnungsberichtigung auf den Zeitpunkt der erstmaligen Rechnungsausstellung zurückwirkt, der Antrag auf Rückwirkung ebenso wie die Bitte auf Aussetzung der Vollziehung im Zusammenhang mit einem Einspruchsverfahren nach wie vor abgelehnt.

Nach einem aktuellen rechtskräftigen Beschluss des Finanzgerichts Hamburg entfaltet die Berichtigung einer Rechnung keine Rückwir-kung. Deshalb kann der Vorsteuerabzug erst zu dem Zeitpunkt vorgenommen werden, in dem eine ordnungsgemäße Rechnung erstmalig vorliegt (Az. 2 V 149/11). Der Vorsteuerabzug ist erst für den Erklärungszeitraum auszuüben, in dem die beiden geforderten Voraussetzungen erfüllt sind:

  1. Es muss eine Lieferung von Gegenständen oder eine Dienstleistung bewirkt worden sein.
  2. Der Unternehmer muss ein Dokument besitzen, das nach den geforderten Kriterien als korrekte Rechnung betrachtet werden kann.

Der zweite Punkt schließt den Vorsteuerabzug daher zu einem früheren Zeitpunkt aus, in dem noch keine ordnungsgemäße Rechnung vorlag. Etwas anderes lässt sich aus dem Urteil des EuGH nicht entnehmen, betonten die Richter aus Hamburg.

Hinweis
Betroffene Unternehmer sollten Fälle mit vom Finanzamt gestrichener Vorsteuer wegen fehlerhafter Rechnungsangaben offen halten, bis der Bundesfinanzhof sich hierzu klarstellend geäußert hat. Generell ist es wegen der – auch unter Experten in der Fachliteratur – umstrittenen Rechtslage ratsam, auch weiterhin stets von Beginn an auf eine formal korrekte Rechnung zu achten.

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